Urlaubstage sind als geleistete Stunden bei der Berechnung von Mehrarbeitszuschlägen einzubeziehen
Für die Berechnung von Überstunden sind Arbeitszeiten, in denen der Mitarbeiter bezahlten Jahresurlaub in Anspruch genommen hat, zwingend einzubeziehen (BAG 16.11.2022, 10 AZR 210/19)
Arbeitszeiterfassungspflicht auch für Überstunden
Das BAG hat entschieden, dass die vom EuGH vorgegebene Pflicht aller Arbeitgeber, die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten systematisch zu erfassen, bereits jetzt gilt – und zwar für alle deutschen Unternehmen. Dies ergibt sich aus einer europarechtskonformen Auslegung von § 3 Arbeitsschutzgesetz. Damit kommt das BAG dem Gesetzgeber zuvor und Arbeitgebern müssen sofort reagieren - Arbeitnehmern steht ein Schadensersatzanspruch zu, wenn der Arbeitgeber dieses unterlässt, Überstunden können erleichtert durchgesetzt werden (BAG 13.09.2022)!
Beschäftigungsverbot bei fehlendem Impfnachweis rechtswidrig
Beschäftigte, die in Kliniken, Alten-und Pflegeheimen und ähnlichen gesundheitsbezogenen Einrichtungen arbeiten, müssen gem § 20 a IFSG dem Arbeitgeber einen Vakzinnachweis oder Gensenenstatus nachweisen, soweit diese nach dem 15.03.2022 beim Arbeitgeber eingestellt wurden.Diese Regelung gilt nicht für Arbeitnehmer, die bereits vor dem 16.03.2022 bei dem Arbeitgeber tätig waren, hier ist nur die Möglichkeit gegeben, dass das Gesundheitsamt ein Beschäftigungsverbot ausspricht. Entsprechende Beschäftigungsverbote des Arbeitgebers sind rechtswidrig (ArbG Giessen 12.04,2022, 5 Ga 1/22).
BAG bestätigt Nichtzulassungsbeschwerde der Kanzlei Koch:
Behinderte dürfen aufgrund ihrer krankheitsbedingten Fehlzeiten nicht benachteiligt werden. In diesem Grundsatzverfahren hat das BAG, Az.: 8 AZN 587/21 im Rahmen eines Revisionsverfahrens der Kanzlei Koch bestätigt, dass krankheitsbedingte Fehlzeiten eines behinderten Arbeitnehmers nicht ohne Weiteres zum Anlass genommen werden dürfen, arbeitsrechtliche Sanktionen (Kündigung, Abmahnung, Androhung von arbeitsrechtlichen Konsequenzen) auszusprechen. Es handelt sich hierbei um eine gerade für das Schwerbehindertenrecht äußerst bedeutsame Entscheidung.
Der durch die einzelnen Bundesländer verfügte Shutdown hat dazu geführt, dass eine Vielzahl von Betrieben die Arbeit und die Produktion eingestellt oder aber erheblich heruntergefahren haben. Kann der Arbeitgeber wegen dieser Corona-Krise aus betriebsbedingten Gründen kündigen? Der Auftragseinbruch ist als außerbetrieblicher Grund ein klassischer Grund für die Annahme, dass betriebsbedingte Gründe für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses vorliegen.
Aber: Der Arbeitgeber muss nachweisen, dass dieser Beschäftigungsbedarf dauerhaft entfallen ist und nicht lediglich zeitweise für einige Wochen der wenige Monate. Gerade diese Dauerhaftigkeit des Wegfalles des Beschäftigungsbedarfes wird im Regelfall beim Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung wegen der Corona-Pandemie nicht vorliegen. Es ist nämlich nicht geklärt, wie lange diese Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie andauern und ob daher von einer dauerhaften Reduzierung des Arbeitsvolumens in einem Betrieb überhaupt ausgegangen werden kann. Kurzfristige Auftrags- und Umsatzeinbrüche dürfen nicht zum Anlass genommen werden, eine betriebsbedingte Kündigung auszusprechen.
Urlaubsabgeltung auch bei Dauererkrankung
Der Arbeitgeber hat nicht nur die Pflicht, den Mitarbeiter auf einen möglichen Verfall des Urlaubsanspruches hinzuweisen. Zudem besteht auch die Pflicht, während einer durchgehenden Arbeitsunfähigkeit den Mitarbeiter über einen drohenden Verfall des Urlaubsanspruches zu unterrichten. Der Arbeitgeber hat die Pflicht, den Mitarbeiter rechtzeitig darauf hinzuweisen, wie es sich mit der Gewährung oder der Abgeltung des Urlaubes verhält, wenn eine dauernde Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Die Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers besteht also nicht nur für die Zeit nach Rückkehr am Arbeitsplatz, die Unterrichtungspflicht ist bereits während der Erkrankung gegeben, wenn ein Verfall des Urlaubes droht (ArbG Berlin v. 13.06.2019, Az.: 42 Ca 3229/19).
Fahrtzeiten als vergütungspflichtige Arbeitszeit
Urlaub kann angesammelt werden!
Das BAG stärkt den Urlaubsanspruch der Mitarbeiter: Urlaub verfällt am Jahresende nur noch nach einer Aufforderung zum Urlaubsantritt und nach einem Warnhinweis durch den Arbeitgeber.
Geändert hat sich die Rechtslage in der Hinsicht, dass der Arbeitgeber die Initiativlast für die Verwirklichung des Urlaubsanspruchs. Diese Obliegenheit bzw. Initiativlast beinhaltet die konkrete Aufforderung zum Urlaub und den klaren und rechtzeitigen Hinweis auf den andernfalls eintretenden Urlaubsverfall
Arbeitgeber kann die Kosten einer finanzierten Fortbildung nicht immer zurückverlangen
Verpflichtet eine arbeitsvertragliche Vereinbarung den Arbeitnehmer dazu, die Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung zu erstatten, wenn der Arbeitnehmer vor Ablauf einer bestimmten Frist das Beschäftigungsverhältnis kündigt, kann eine entsprechende Rückzahlungspflicht eine unangemessene Benachteiligung darstellen. Die neuere Rechtsprechung geht etwa davon aus, dass eine Rückzahlungspflicht dann nicht in Betracht kommt, wenn der Arbeitnehmer aufgrund einer Erkrankung mittelfristig nicht mehr in der Lage ist, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Aus dieser neueren Rechtsprechung aus dem Jahre 2018 ist die Schlussfolgerung zu ziehen, dass einzelvertragliche Vereinbarungen, nach denen der Arbeitnehmer die Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung zu übernehmen hat, zu einer unangemessenen Benachteiligung des Arbeitnehmers führen können und dann unwirksam sind. In solchen Fällen besteht keine Zahlungspflicht des Arbeitnehmers (BAG v. 11.12.2018, Az.: 9 AZR 383/18).
Rückzahlungsklauseln von Fortbildungskosten unwirksam!
Verpflichtet eine vertragliche Rückzahlungsklausel den Arbeitnehmer dazu, die Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung zu erstatten, wenn er das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der in der Klausel vorgesehenen Bindungsdauer kündigt, weil er wegen eines ihm nicht im Sinne eines Verschuldens zuzurechnenden dauerhaften Wegfalls seiner medizinischen Tauglichkeit nicht mehr in der Lage ist, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, ist dieses unwirksam (BAG 11.12.2018 9 AZR 383/18)
Kein Verfall der Urlaubsabgeltungsansprüche bei Beschäftigungsende
Der EuGH entschied, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht automatisch verfallen darf, weil der ntergehen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor angemessen – erforderlichenfalls förmlich – dahingehend aufgeklärt hat und damit tatsächlich in die Lage versetzt hat, die Urlaubstage rechtzeitig zu nehmen. Ob dies geschehen ist, ist vom Arbeitgeber nachzuweisen. In den Entscheidungsgründen führt der EuGH als Begründung seiner Rechtsauffassung unter anderem aus, dass der Arbeitnehmer als die schwächere Partei des Arbeitsvertrages anzusehen ist und es daher verhindert werden müsse, dass der Arbeitgeber ihm eine Beschränkung seiner Rechte auferlegen kann (EuGH vom 06.11.2018, Rs. C-619/16 und C-684/16).
Vertragliche Ausschlussklauseln in Arbeitsverträgen unwirksam
Umstritten ist seit langem, ob eine Ausschlussfristenregelung auch dann unwirksam ist, wenn sie Ansprüche auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht ausdrücklich ausnimmt. Diese sind nämlich nach § 3 Mindestlohngesetz (MiLoG) unverzichtbar, die Parteien können darüber nicht verfügen. Diese Frage stellte sich seit Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes im August 2014 und nun haben die obersten Arbeitsrichter die Frage geklärt und dazu entschieden. Danach kommt es auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses an: Jedenfalls wenn der Arbeitsvertrag nach Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes abgeschlossen wurde, ist eine vom Arbeitgeber vorformulierte arbeitsvertragliche Verfallklausel, die ohne jede Einschränkung alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erfasst, insgesamt unwirksam (BAG v 18. 09. 2018, Az: 9 AZR 162/18).
Reisezeit ist als Arbeitszeit zu vergüten!
Auch die auf Weisung des Arbeitgebers durchgeführte Reise ist immer Arbeitszeit, die zu vergüten ist: Das BAG räumt auf mit widersprüchlichen Entscheidungen der Gerichte, die keine Klarheit zu erbringen vermochten: Entsendet der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer vorübergehend an einen anderen Ort als den Betriebssitz im In- oder Ausland, erfolgen die Reisen zur auswärtigen Arbeitsstelle und von dort zurück ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers und sind deshalb in der Regel wie Arbeit zu vergüten (BAG 17.10.2018, 5 AZR 553/17).
Urlaubswunsch des Arbeitnehmers muss innerhalb eines Monates widersprochen werden
Kommt es dazu, dass ein Arbeitgeber einen Urlaubsplan aufgrund der Urlaubswünsche der Mitarbeiter stellt, oder aber stellt der Arbeitnehmer eigenmächtig einen Urlaubsantrag, muss der Arbeitgeber auf den Urlaubswunsch kurzfristig reagieren, insbesondere bei einer fehlenden Billigung diesem Antrag widersprechen. Soll der Urlaub entsprechend dem Wunsch des Arbeitnehmers nicht gewährt werden, muss dieses aber innerhalb eines Zeitraumes von einem Monat ab Zugang des Urlaubswunsches des Mitarbeiters erfolgen. Andernfalls gilt der Urlaub als genehmigt. Es besteht keine Möglichkeit, bis ca. eine Woche vor Urlaubsantritt zu warten, um dann den Urlaubsanspruch zurückzuweisen. Auch eine entsprechende Regelung im Arbeitsvertrag wäre wegen einer unangemessenen Benachteiligung des Mitarbeiters unwirksam (ArbG Chemnitz v. 29.01.2018, Az: 11 Ca 1751/17).
Auswirkung des Mindestlohngesetzes auf Urlaubsgeld
Der Mindestlohnanspruch aus § 1 Abs. 1 MiLoG ist ein gesetzlicher Anspruch, der eigenständig neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch tritt. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn entsteht mit jeder geleisteten Arbeitsstunde (§ 1 Abs. 2 iVm. §§ 20, 1 Abs. 1 MiLoG). Für Zeiten ohne Arbeitsleistung begründet das Mindestlohngesetz keine Ansprüche. Dabei sind alle im Synallagma stehenden Entgeltleistungen des Arbeitgebers geeignet, den Mindestlohnanspruch des Arbeitnehmers zu erfüllen (§ 362 Abs. 1 BGB). Die Erfüllungswirkung fehlt solchen Zahlungen, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf eine tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringt oder die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung (BAG v. 20.9.2017, Az.: 10 AZR 171/16).
Erfordernis eines betrieblichen Eingliederungsmanagements
Möchte der Arbeitgeber eine krankheitsbedingte Kündigung aussprechen, ist es nach neuerer Rechtsprechung zwingend erforderlich, dass zuvor ein betriebliches Eingliederungsmanagement gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX durchgeführt wird. Wird ein betriebliches Eingliederungsmanagement nicht durchgeführt, so hat der Arbeitgeber nämlich zu beweisen, dass ein betriebliches Eingliederungsmanagement zwingend ohne Erfolg gewesen wäre. Insbesondere trifft den Arbeitgeber dann die Pflicht, darzulegen, warum eine leidensgerechte Anpassung oder Veränderung des konkreten Arbeitsplatzes nicht möglich gewesen war. Es ist daher vom Ergebnis zwingend, dass einer krankheitsbedingten Kündigung ein betriebliches Eingliederungsmanagement vorzuschalten ist (LAG Berlin-Brandenburg v. 18.05.2017, Az.: 5 Sa 1300/16).
Klageverzichtsvereinbarungen
Der Verzicht auf die Erhebung einer Klage schränkt die Rechte des Arbeitnehmers ein. Das Gesetz will sicherstellen, dass es zu einem Ausgleich zwischen dem Interesse des Arbeitnehmers an einem effektiven Bestandsschutz und dem Interesse des Arbeitgebers an einer alsbaldigen Gewissheit darüber, ob die Kündigung angegriffen wird, kommt. Der Verzicht, gerichtliche Schritte gegen eine Kündigung einzuleiten, ist nur dann wirksam, wenn es zu einer angemessenen Gegenleistung des Arbeitgebers kommt. Entsprechende Klageverzichtsvereinbarungen sind also immer dahingehend zu überprüfen, ob es für den vereinbarten Nachteil zu einem angemessenen Ausgleich zu Gunsten des Arbeitnehmers kommt. Dieser Ausgleich kann sich etwa aus einer Abfindung oder auch anderen Zahlungsansprüchen ergeben. Ob allein die Erteilung eines wohlwollenden Arbeitszeugnisses ausreichend ist, dürfte mehr als zweifelhaft sein (LAG Hamburg v. 01.03.2017, Az: 5 Sa 65/16).
Betriebliche Informationen an privaten E-Mail Account
Die Weiterleitung von E-Mails mit betrieblichen Informationen auf einen privaten E-Mail Account zur Vorbereitung einer Tätigkeit bei einem neuen Arbeitgeber stellt eine schwerwiegende Verletzung der vertraglichen Rücksichtnahmepflichten dar und berechtigt den Arbeitgeber, eine fristlose Kündigung auszusprechen (LAG Berlin-Brandenburg v. 16.5.2017, Az: 7 Sa 38/17).
Direktionsrecht und betrieblichem Eingliederungsmanagement
Die Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements ist im Falle des Vorliegens einer längerfristigen Erkrankung des Arbeitnehmer nicht zwingende Voraussetzung der rechtmäßigen Ausübung des Direktionsrechts. Arbeitnehmer können daher auch ohne vorherige Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements per Weisung in eine andere Schicht ungesetzt werden. Ist der Arbeitgeber berechtigt, einen Arbeitnehmer einseitig per Weisung in eine etwa schlechter bezahlte Schicht umzusetzen? Hierzu hat das BAG aktuell entschieden, dass diese Weisungen gerechtfertigt sein können, selbst dann, wenn der Arbeitgeber zuvor ein betriebliches Eingliederungsmanagement nicht durchgeführt hat. Dies setzt voraus, dass der Arbeitgeber die Maßnahme durchführt, um das Ziel des Gesundheitsschutzes des Arbeitnehmers zu erreichen. Wird dem Arbeitnehmer also eine Schicht zugeordnet, die der Besserung des Gesundheitszustandes zu dienen bestimmt ist, kann dieses auch ohne Zustimmung des Arbeitnehmers erfolgen und ist insofern auch kein betriebliches Eingliederungsmanagement durchzuführen (BAG v. 18.10.2017, Az: 10 AZR 47/17).
Verfall des Urlaubsanspruches
Auch unter Einbeziehung der geänderten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes – verfällt der Urlaubsanspruch von langzeiterkrankten
Mitarbeitern 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres. Zunächst ist davon auszugehen, dass auch unter Einbeziehung der arbeitnehmerfreundlichen Rechtsprechung des EuGH Urlaub im laufenden
Kalenderjahr zu nehmen ist. Grundsätzlich erlischt damit der Urlaubsanspruch mit dem Ende des Kalenderjahres. Dies gilt dann nicht, wenn es Hinderungsgründe dafür gab, den Urlaub nicht im
laufenden Kalenderjahr in Anspruch zu nehmen. Ein Fall hierfür ist die langandauernde Arbeitsunfähigkeit. Mit Ablauf des Übertragungszeitraumes, also des 31.03. des Folgejahres geht der
Urlaubsanspruch unter, hierbei ist aber die europarechtliche Rechtsprechung zu berücksichtigen, bei langandauernden Erkrankungen ist der Übertragungszeitraum für den Urlaubsanspruch auf einen
Zeitraum von 15 Monaten festzusetzen. Die Frist beginnt mit dem Ende des Urlaubsjahres zu laufen (LAG Schleswig-Holstein v. 02.12.2015, Az: 3 Sa 218/15).
Befristung des Arbeitsverhältnisses bedarf der Schriftform
Die Befristung eines Arbeitsverhältnisses bedarf der Schriftform. Wird der Vertrag zunächst mündlich geschlossen und dann einige Zeit später schriftlich fixiert, ist vom Vorliegen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses auszugehen. Ein späteres Nachholen der Schriftlichkeit kann den Formmangel nicht nachträglich heilen (BAG v. 07.10.2015, Az: 7 AZR 40/14).
Mindestlohn mit Anrechnung von Sonderzahlungen
Urlaubs- und Weihnachtsgeld kann anteilig auf den Mindestlohn berechnet werden, dabei ist es egal, ob der Urlaub tatsächlich in Anspruch genommen wurde. Das BAG entschied positiv über die Zulässigkeit der Änderung von vertraglichen Fälligkeitsbestimmungen durch Arbeitgeber und Betriebsrat. Dabei muss die Änderung für eine Vielzahl von Arbeitsverträgen - kollektiver Tatbestand – festgelegt werden, dann ist es zulässig Sonderzahlungen zu 1/12 mit der Monatsvergütung zu erteilen (BAG, Az: 5 AZR 185/15).
Vertragsstrafe regelmäßig unwirksam
Oft will sich der Unternehmer hinsichtlich der Vertragstreue des Arbeitnehmers dadurch absichern, dass für den Fall, dass der Arbeitnehmer vorzeitig das Arbeitsverhältnis löst, eine Vertragsstrafe vereinbaren.
Diese Regelung ist sinnvoll, da die Nichteinhaltung von Kündigungsfristen von Seiten des Arbeitnehmers regelmäßig ohne Sanktionen ist. Für diesen Fall nutzt die Vertragsstrafenabrede. Entscheidend ist, dass die Vertragsstrafe der Höhe nach angemessen ist, die Vertragsstrafe darf nicht höher liegen, als die Arbeitsvergütung, die für die Zeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zu zahlen gewesen wäre (BAG v. 17.03.2016, Az: 8 AZR 665/14).
Versetzungsanordnung des Arbeitgebers nur bedingt überprüfbar
Weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen neuen Arbeitsort zu, ist zu klären, inwieweit die Zuweisung eines anderen Arbeitsortes grundsätzlich in das Weisungsrecht des Arbeitgebers fällt. Der Arbeitnehmer kann zwar in einem Hauptsachverfahren gegen eine solche Versetzungsanordnung vorgehen. Allerdings kann auch bei einem Widerspruch des Betriebsrates im Rahmen einer vorläufigen Maßnahme der Arbeitgeber die Versetzungsanordnung zunächst durchsetzen. Es ist dem Arbeitnehmer allerdings nicht möglich, vorläufigen Rechtschutz in Anspruch zu nehmen, um sich auf diesem Wege, die Möglichkeit zu verschaffen, der Versetzungsanordnung keine Folge zu leisten. (ArbG Nordhausen v. 30.09.2016, Az: 2 Ga 14/16)
Erkrankung des Mitarbeiters: Hinweis auf das betriebliche Eingliederungsmanagement
Nach den Vorgaben des Sozialgesetzbuches muss der Arbeitgeber bei einer Erkrankung des Mitarbeiters von mehr als sechs Wochen darauf hinweisen, dass die Möglichkeit besteht, ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchzuführen. Häufig vergessen wird dabei, dass der Arbeitnehmer darauf hinzuweisen ist, dass die Verfahrensteilnahme freiwillig ist. Auch sollte zur Vorbereitung einer späteren krankheitsbedingten Kündigung unbedingt der Hinweis gegeben werden, dass der Ausspruch einer Kündigung wegen längerfristiger Erkrankungen möglich. (LAG Hamm v. 26.04.2013, Az: 10 Sa 24/13)
Nachtarbeitszuschlag von 30 %
Längere Zeit nicht geklärt war die Frage, wie hoch der Zuschlag für dauerhafte Nachtarbeit sein muss. Um den Zuschlag als angemessen einzustufen, ist eine Erhöhung des Bruttostundenlohnes von 30 % geboten. Dies gilt aber nur dann, wenn es sich um eine dauerhafte Nachtarbeit handelt. (BAG v. 09.12.2015, Az: 10 AZR 423/14)
Arbeitsort kann durch Anordnung des Arbeitgebers geändert werden
Die Anordnung darüber, wo der Mitarbeiter seinen Dienst zu verrichten hat, unterliegt grundsätzlich dem, sogenannten Weisungsrecht des Arbeitgebers. Fehlt es also an einer exakten Regelung im Arbeitsvertrag darüber, wo die Dienste zu verrichten sind, hat der Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Interessen des Arbeitnehmers anzuordnen, wo die Arbeit zu leisten ist. Bei der gebotenen Interessensabwägung hat der Arbeitgeber aber die konkreten Verhältnisse des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, dass heißt den familiären Hintergrund und auch Fragen der Betriebszugehörigkeit. (Arbeitsgericht Göttingen v. 25.11.2015, Az: 4 Ca 203/15)
Keine krankheitsbedingte Kündigung ohne BEM
Im Ergebnis kann beim Ausspruch von krankheitsbedingten Kündigungen davon ausgegangen werden, dass das betriebliche Wiedereingliederungsmanagement faktisch zwingend der Kündigung vorzuschalten ist. Es wird nämlich zwischenzeitlich davon ausgegangen, dass dann, wenn einer krankheitsbedingten Kündigung keine Eingliederungsmaßnahme voraus ging, der Arbeitgeber die Nutzlosigkeit konkret darlegen und beweisen muss. Durch die aktuelle Rechtsprechung hat die Bedeutung des BEM deutlich zugenommen. Selbst dann, wenn eine negative Gesundheitsprognose des Mitarbeiters vorliegt, muss in jedem Fall noch dargelegt werden, dass die betriebliche Wiedereingliederungsmaßnahme nicht von Erfolg gekrönt gewesen wäre. (BAG v. 13.05.2015, Az: 2 AZR 565/14)
Arbeitszeitkonto ohne Ausgleichsfrist unwirksam!
Häufig kommt es vor, dass die Parteien eines Dienstverhältnisses ein Zeitsparbuch führen. Zu einem bestimmten Zeitpunkt, manchmal erst mit Ende des Dienstverhältnisses, sollen dann die Plusstunden ausgezahlt werden. Zuweilen gibt es auch eine Regelung, die vorsieht, dass Minusstunden innerhalb eines kürzeren Zeitraumes, etwa von einem halben Jahr, auszugleichen sind. Regelmäßig ist davon auszugehen, dass bei Plusstunden es nicht zu einer Schlechterstellung des Mitarbeiters kommen darf: innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes hat ein Freizeitausgleich oder aber eine Abgeltung zu erfolgen. (LAG Hannover v. 05.06.2015, Az: 17 Sa 70/15)
Keine Wiedereinstellung nach Verdachtskündigung
Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis wegen des Verdachtes einer Straftat, führt auch ein Freispruch im Strafverfahren nicht dazu, dass es zu einer Wiedereinstellung des Arbeitnehmers käme. Ein Wiedereinstellungsanspruch ist zwar für den Fall anerkannt, dass es nach Zugang der Kündigung neue Umstände gibt, die den Arbeitnehmer entlasten. Der Freispruch in einem parallelverlaufenem Strafverfahren führt aber nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Hintergrund ist die Tatsache, dass der Verlust des Vertrauens in die Integrität des Mitarbeiters einer weiteren Zusammenarbeit entgegensteht. (LAG Baden-Württemberg v. 22.05.2015)
Mindestlohn mit Anrechnung von Sonderzahlungen
Urlaubs- und Weihnachtsgeld kann anteilig auf den Mindestlohn berechnet werden, dabei ist es egal, ob der Urlaub tatsächlich in Anspruch genommen wurde. Das BAG entschied positiv über die Zulässigkeit der Änderung von vertraglichen Fälligkeitsbestimmungen durch Arbeitgeber und Betriebsrat. Dabei muss die Änderung für eine Vielzahl von Arbeitsverträgen - kollektiver Tatbestand – festgelegt werden, dann ist es zulässig Sonderzahlungen zu 1/12 mit der Monatsvergütung zu erteilen. (BAG, Az: 5 AZR 185/15)
Freistellung führt nicht zum Erlöschen des Urlaubsanspruchs
Das LAG Hessen hat in einer Entscheidung, an der unsere Kanzlei maßgeblich beteiligt war, am 07.03.2016 eine Grundsatzentscheidung getroffen, die die Regelung des Urlaubes während einer Freistellung betrifft: Kommt es zu dem klassischen Fall, dass ein Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis aus betrieblichen Gründen kündigt, so ist häufig festzustellen, dass der Arbeitgeber zusammen mit der Kündigung den Arbeitnehmer von der zukünftigen Erbringung der Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Vergütung freistellt, Dies knüpft der Arbeitgeber regelmäßig daran, dass der Arbeitnehmer während dieser bezahlten Zeit seinen Urlaub nehmen darf und daher mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses Urlaubsabgeltungsanspruch abgegolten sind. Diese Praxis führt allerdings häufig nach dem angesprochenen Grundsatzurteil des Landesarbeitsgerichts Hessen nicht dazu, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses erlischt. Nur dann, wenn der Arbeitgeber in der Kündigung ausdrücklich erklärt, dass die Freistellung unwiderruflich erfolgt und nicht einseitig zurückgenommen werden könne, führt die Freistellung dazu, dass Urlaubsansprüche mit der Freistellung abgegolten sind. Durch diese Entscheidung hat das Landesarbeitsgericht Hessen die Rechte des Arbeitnehmers im Zusammenhang mit der Abgeltung des Urlaubes bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz wesentlich gestärkt. (LAG Hessen v. 07.03.2016, Az: 7 Sa 631/15)
Update - Doch kein Urteil im Blutkonservenprozess?
Im Prozess um die fristlose Kündigung eines Arztes nach vertauschten Blutkonserven fällt heute voraussichtlich doch kein Urteil. Nach widersprüchlichen Angaben des Anästhesisten will das Göttinger Arbeitsgericht noch Zeugen hören.
Der Arzt hatte erklärt, er habe nicht gesehen, dass die falsche Blutkonserve entgegen seiner ausdrücklichen Anweisung gegeben worden sei. Die Duderstädter Krankenhausleitung wirft ihm indes vor, die Daten nicht abgeglichen und die Transfusion nicht gestoppt zu haben. Die 81-jährige Patientin war an dem falschen Blut gestorben. (Quelle: NDR.de)
Fehlermanagement bei Bluttransfusionen
Das Vertauschen von Blutransfusionsbeuteln und der nachfolgende allergische Schock eines Patienten sind nicht immer auf einen individuellen Fehler eines Arztes bzw. des ärztlichen Hilfspersonales zurückzuführen. Der Verwechselungsgefahr kann mit einem genauen Fehlermanagement der jeweiligen Klinik begegnet werden. Tragische Unfälle im Zusammenhang bei Bluttransfusionen können oftmals durch ein Standardverfahren der Bluttransfusion bei Operationen vermieden werden. Um zu gewährleisten, dass Blutgruppen nicht vertauscht werden, ist es nicht ausreichend, wenn ein sogenannter Bedside-Test ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Daher ist immer auch die Frage nach der Einhaltung der Sicherheitsstandards der Klinik zu fragen (ArbG Göttingen v. 07.01.2016).
Lesetipp: Koch, Thomas: Arbeitsrecht, 7. Aufl., 2022, 737 S., ISBN: 978-3-754968-28-4